Longieren für Hunde

Ich muss es zugeben: Als ich das erste Mal von Longieren für Hunde hörte, hab ich mich gefragt, wer sich so eine Schwachsinnigkeit hat einfallen lassen. Pferde an der Longe longieren, schön und gut. Aber in einer Kreismitte stehen und der Hund läuft um einen herum? Macht der das überhaupt? Und selbst wenn... Das ist doch unfassbar dröge... Aber ich musste ich eines besseren belehren lassen und bin heute bekennender Fan davon!

 

Im Hundetraining ist es keine Neuheit: Bereits in den 1960er Jahren wurde in Skandinavien das Longieren als spezielles Training für Polizeihunde genutzt. Primäres Ziel war hier das Konditions- und Ausdauertraining. Hergeleitet wurde es aus der Hütearbeit. 

Die Kombination aus körperlicher und geistiger Auslastung ist ideal. Für den Hund sind bereits kurze Einheiten von 5-10 Minuten extrem anstrengend! 

Das Credo hier lautet „Distanz schafft Nähe“…

 

Die Tabu-Zone

Das Innere des Longierkreises wird zur Tabu-Zone erklärt, die der Hund nicht betreten darf.

Für den Hund ist die Ressource Mensch so nicht mehr frei verfügbar. Der Hund wird wesentlich aufmerksamer auf seinen Menschen. Die gegenseitige Kommunikation wird bewusster und vorwiegend körpersprachlich umgesetzt. 

Der Hund wird wesentlich aufmerksamer und konzentriert sich stark auf seinen Besitzer. Genau das, was wir uns auch im Alltag wünschen!



Der Longierkreis

Radius sollte mindestens 5 Meter betragen, damit sich die Hunde in der Arbeit nicht zu stark biegen müssen. Zur Befestigung des Absperrbandes eigenen sich normale Steckstangen oder Zeltheringe.

Bei den Zeltheringen sollte man nur unbedingt darauf achten, dass die Haken ins Kreisinnere zeigen, damit sich der Hund nicht verletzt.

Beim Aufbau des Kreises wird in die Mitte eine Steckstange platziert.

An dieser befestigen wir ein abgemessenes Band mit dem gewünschten Radius, z. B. eben 5 Meter.

Auf der Kreisbahn  werden in regelmäßigen Abständen die Steckstangen bzw. Zeltheringe platziert und das Absperrband angebracht. 

Zu Beginn sollte sich das Band bei Anfängerhunden etwa auf Schulterhöhe befinden und sich idealerweise nicht einrollen, damit es von den Hunden als richtige Barriere wahrgenommen werden kann.

Warum longieren?

Der Mensch lernt:

  • seinen Körper bewusster zu bewegen,
  • die Wirkung seiner Körpersprache auf den Hund zu verstehen,
  • seine Körpersprache zur Kommunikation mit dem Hund zu nutzen,
  • die Kommunikation und Verbundenheit zum Hund zu verbessern,
  • seinen Hund durch die menschliche Körpersprache zu leiten,
  • dem Hund Grenzen und Tabuzonen zu setzen und
  • die Körpersprache des Hundes zu erkennen, zu verstehen und zu nutzen.

Der Hund lernt:

  • den Menschen und seine Körpersprache zu verstehen,
  • auf seinen Menschen und dessen Körpersprache zu achten,
  • dem Menschen zu vertrauen,
  • die Bindung zum Menschen zuzulassen,
  • sich vom Menschen leiten zu lassen und
  • Grenzen und Tabuzonen zu akzeptieren.



Aufbau des Longierens

Es ist sinnvoll das Longieren mit einer Art Ritual zu starten. Der Hund sollte nicht unkontrolliert auf den Kreis zulaufen oder vielleicht sogar hineinspringen. 

Deshalb wird der Hund kontrolliert außerhalb des Longierkreises gebracht und z.B. abgesetzt. Man selbst steigt hinein. 

Der Hund wird über ein Kommando (z.B. "Los") gestartet und direkt am Band begleitet. Bereits nach einigen wenigen Schritten sollte das richtige Verhalten (also das Außen laufen) mit Click und Futter belohnt werden. 


Wie beim Agility gibt es eine Führhand. Das ist immer die dem Hund zugewandte, äußere Hand. Während der Hund sich bewegt, bleibt die Führhand immer am Hund und wir halten auch fortwährenden Blickkontakt.


Sollte der Hund ins Innere des Kreises kommen, müssen wir ihn nachdrücklich hinaus schicken. Das kann je nach Hundetyp eine nach außen zeigende Handbewegung sein, die Steigerungsform ist eine bedrohliche Körperhaltung wie nach vorne gebeugter Oberkörper und ausgebreitete Arme, ggf. mit verbaler Unterstützung. 


Wichtig: Der Grad des Nachdrucks ist UNBEDINGT dem Hund anzupassen. Schwer zu beeindruckende Hunde werden natürlich anders angesprochen, als sowieso bereits unsichere Hunde!

Wichtig ist aber, das wir die Tabu-Zone konsequent für uns alleine beanspruchen.

Wenn der Hund das Prinzip verstanden hat und zuverlässig außerhalb des Longierkreises bleibt, können wir langsam die Entfernung vergrößern und uns ins Innere des Kreises absetzen.


Aber auch hier ist eine regelmäßige Belohnung zur Festigung des Verhaltens wichtig und gerade zu Beginn, wenn wir etwas neues beginnen (wie hier den Abstand zu vergrößern), sollte der Hund unmittelbar für korrektes Verhalten belohnt werden!


Die meisten Hunde haben eine "gute" und eine "schlechte" Seite im Hinblick auf ihre Laufrichtung. Es ist sinnvoll hier mit der einfacheren Seite zu beginnen. 

Zusammengefasst:

Das Innere des Kreises ist Tabu-Zone für den Hund und wird von uns energisch beansprucht! Gleichzeitig muss der Hund durch eine hohe Belohnungsrate fürs korrekte Außen-Laufen belohnt werden! 

Um das Longieren für Mensch und Hund interessant und abwechslungsreich zu gestalten, sollte man weitere Kommandos mit einbauen.

Das kann Sitz, Platz, Steh aus der Unterordnung sein und andere Tricks, die der Hund bereits kann.


Auch sollte man darauf achten, regelmäßig die Laufrichtung zu wechseln, damit der Hund nicht einseitig belastet wird.


Am Ende einer Einheit, die idealerweise mit einem positiven Erlebnis aufhört (also beispielsweise nicht, wenn der Hund die Tabu-Zone betreten hat), sollte es für den Hund immer mit einem "Jackpot" geben. Das kann ein Clicker-Jackpot sein, ein tolles Zergelspiel oder ein geworfener Ball.

Körpersprache als Schlüssel

Ein Ziel des Longieren ist es, sich die eigene Körpersprache bewusst(er) zu machen! Im Idealfall wird komplett auf verbale Kommandos verzichtet oder eben bewusst eingesetzt um neue Kommandos zu generalisieren oder auf Entfernung abzufragen.  

 

Körperspannung

Einfach gesagt: Mehr Spannung bei uns, mehr Spannung beim Hund. Wer emotionslos am Longierkreis entlang „latscht“, kann von seinem Hund nicht unbedingt motiviertes, aufmerksames Laufen erwarten. Das gilt übrigens nicht nur beim Longieren sondern ist gerne auch in der ein oder anderen Unterordnungsstunde zu sehen.

 

Man kann für Tempowechsel die eigene Körperspannung bewusst nutzen: Mehr Spannung à der Hund wird schneller, bewusste Entspannung à der Hund wird langsamer.


Ein anderes Beispiel für den bewussten Einsatz der Körperspannung kennen manche vielleicht bereits aus dem Agility: Wenn der Hund nah zu einem kommen soll oder beispielsweise an einer Kontaktzone atmen wir bewusst aus, um „Spannung raus zu nehmen“.

Körperfront / Stellung der Schulter und der Füße

Unsere Körperfront gibt dem Hund die Bewegungsrichtung vor. Drehen wir die zur Kreismitte zeigende Schulter in Richtung Hund, veranlasst ihn das je nach dem dazu langsamer zu werden, stehen zu bleiben oder die Richtung zu wechseln. 


Wir können so lernen, immer feiner mit unserem Hund zu kommunizieren. 

Varianten & Schwierigkeitssteigerungen

Größere Distanz

Der Longierzirkel wird vergrößert (7 Meter, 10 Meter, 20 Meter...)

Hier sollte man bitte die entsprechende körperliche Beanspruchung für den Hund berücksichtigen, da er einiges an "Metern machen muss". 


Kommando- & Tricktraining

Im Training werden gezielt Kommandos und Tricks eingebaut. Neben der Tatsache, dass diese Dinge nun auch auf Entfernung trainiert werden, kann man bewusst Verbal- und Sichtkommandos aufbauen bzw. generalisieren. 


Tempowechsel

Wir können gezielt Schritt, Trab und Galopp herausarbeiten und z.B. mit einem Kommando belegen. Wir beginnen immer mit der "Lieblingsgangart" des jeweiligen Hundes. Das ist immer unterschiedlich. Manche traben lieber, manche galoppieren lieber...


Ablenkung

Im Kreisinneren ist eine Ablenkung bzw. ein Reiz für den Hund.


Gerätetraining

Außerhalb des Kreises werden Geräte wie Tunnel, Hürden oder ein Slalom aufgebaut, die der Hund auf Kommando arbeiten soll.


Arbeit mit mehreren Hunden

Zwei oder mehrere Hunde werden durch ihre Besitzer gleichzeitig longiert. Hierbei kann man schöne Übungen einfließen lassen: Die Hunde überholen sich, arbeiten antizyklisch und müssen sich passieren etc.


Freilongieren

Bei erfahrenen Hunden kann das kann man das Absperrband zuerst auf den Boden legen und irgendwann komplett abgebaut. Die Entfernung, die der Hund einnehmen soll, wird komplett über unsere Körpersprache gesteuert.


Longieren an zwei oder mehreren Kreisen

Durch einen zusätzlichen Kreis kann man die Hunde auch z.B. in einem Oval bzw. in Achten longieren.